Die Privatsphäre ist tot. Die Digitale Revolution 2.0 hat sie mit der weltweiten Verbreitung des Internets bis ins letzte Dorf und Zimmer sowie fast jedes Mobiltelefon flächendeckend abgeschafft. Bevor die Menschen es gemerkt haben, war der Kampf bereits verloren.
Die Digitale Revolution 3.0 hat bereits begonnen. Doch wie sollen die Bürgerinnen und Bürger sich und vor allem ihre Kinder darauf vorbereiten, da wohl niemand weiß, wie sie aussehen und wie sie enden wird?
Der gesellschaftliche Diskurs über die Folgen der Digitalen Revolutionen wird nicht ausreichend geführt. Der Alltag ist so schnell-lebig geworden, dass kaum Zeit bleibt zur kritischen Reflexion. Wir machen mit statt uns zu fragen: Was machen wir da eigentlich?
Die erste Digitale Revolution fand langsam und nachvollziehbar statt: Mehr als 30 Jahre hat es gedauert, bis die Personal Computer (PC) in die Arbeits- und Wohnzimmer der Menschen hineingefunden hatten. Seit Ende der 90er Jahre gehören sie in sogenannten „Zivilisierten Ländern“ aber zum allgemeinen Standard.
Die zweite Digitale Revolution hatte ebenso eine lange Vorlaufzeit wie die erste. Doch das Internet setzte sich in nur 15 Jahren flächendeckend durch von seiner ersten öffentlichen Nutzbarkeit bis zu seiner allgemeinen Verbreitung mit allen Diensten wie e-Mail und persönlichen Websites sowie Konten auf sogenannten „Sozialen Netzwerken“.
Mit dem Internet kam die Aufweichung des Datenschutzes einher. Nahezu unbemerkt änderte sich die Einstellung der meisten Menschen zur Sorge um ihre Privatsphäre. Gleichzeitig schufen Firmen und Geheimdienste immer leistungsfähigere Algorhythmen zur Ausspähung der Bevölkerung. Mit dem Internet änderten sich aber auch Sichtweisen und Gewohnheiten der Menschen: Wissen ist über einen Mausklick sofort abrufbar. Antworten auf Fragen gibt es unverzüglich und natürlich fehlerfrei.
Nicht die Maschinen, sondern die Menschen müssen sich solchen Erwartungen anpassen. Junge Leute erwarten von ihren Mitmenschen, dass sie sich verhalten wie die schöne neue Welt des Worldwide Web.
Dass Wissen hart erarbeitet werden muss, ist für viele von ihnen keine Selbstverständlichkeit mehr. Sie springen und zappen kreuz und quer durch´s Leben, ohne sich länger beharrlich an einem Thema oder einer Aufgabe festzubeißen und sich trotz Rückschlägen durchzubeißen.
Fleiß und Ausdauer muss man ihnen vermutlich mühsam beibringen. Vielleicht sollte jede Schulklasse einmal eine Woche Ferien unter Bedingungen der Steinzeit machen. So könnten Kinder lernen, dass es auch ein Leben ohne Computer geben kannn.
Verbieten jedenfalls hilft wenig. Das Verbotene ist meist ja am interessantesten. Vielleicht sollte man Kindern verbieten, ihre Handys nicht ständig dabeizuhaben?
Kaum waren die Computer klein geworden, fanden sie Platz in mobilen Telefonen. Jedes Kind hat heute so ein Smartphone; und die Entwicklung geht weiter.
Nun steht die Digitale Revolution 3.0 bevor: Brillen und kleine „Wearables“ ersetzen den Computer. Bildschirme werden einfach auf Wände oder Tischplatten und -decken projiziert.
Wecker, Kühlschränke, Wohnungstüren und Autos werden ans Internet angeschlossen. Das ganze Leben wird digital gesteuert.
Wir alle werden zum verlängerten Arm der Weltmacht IT. Demokratische Kontrolle weicht mehr und mehr Geheimverträgen und rasanten Shitstorm-Fluten einer fragwürdigen „Schwarmintelligenz“. Lobbykratie und das Diktat der Technik scheinen „alternativlos“.
Jeder hat natürlich das Recht, bei dieser Entwicklung nicht mitzumachen. Jeder kann einfach auf einen Anschluss ans Internet verzichten. Immerhin ein Fünftel der Bundesbürger hat sich so – überwiegend vermutlich sehr bewusst – entschieden.
Vor den negativen Folgen indes schützt sie das nicht: Auch Briefe der guten alten „Schnecckenpost“ werden längst eingescannt, sodass die Adressen von Absender und Empfänger digital vorliegen. Adressbücher, Google Street View und zahlreiche Geräte zur Erfassung von Informationen unterwerfen auch die Netzverweigerer der Kontrolle durch die allmächtigen Algorhythmen. Von außen können Geräte feststellen, in welchen Räumen eines verschlossenen Hauses sich Menschen aufhalten. Mini-Drohnen können durch gekippte Fenster hindurchfliegen. Big Brother is watchin You nahezu unbemerkt nahezu überall. Wie es weitergehen wird, wissen wir nicht. Wir können es nicht einmal ahnen. Die Zukunft ist eine Überraschung, die vermutlich ganz anders ausfallen wird, als alle möglichen Prognosen erwarten lassen.
Müssen wir uns also willenlos fügen? Haben wir den Kampf bereits verloren? Sind wir nur noch Schachfiguren allmächtiger Algorhythmen?
Wir wissen es nicht. Aber wir wissen um einen Satz von Bertolt Brecht, der gerade auch in dieser Situation die einzig richtige Antwort gibt: „Wer kämpft, kann auch verlieren; wer nicht kämpft, hat schon verloren.“
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