Keiner kriegt Kuba klein: Zum Tod von Fidel Castro

Mein Verhältnis zu ihm war immer zwiespältig: Einerseits bewunderte ich die Konsequenz, mit der er den Anfeindungen der USA und ihrer Sanktionspolitik jahrzehntelang trotzig widerstand; andererseits war mir die „Heiligenverehrung“ vieler „Linker“ für Fidel Castro ebenso suspekt wie die Einschränkung der Meinungsfreiheit in Kuba. Auf jeden Fall sehe ich in ihm aber einen großen Staatsmann, der der Welt das Antlitz einer – mitunter durchaus fehlerhaften, aber meist redlich bemühten- Variante real existierenden Sozialismus gezeigt hat.
Commandante Fidel Castro ist am Freitag (25. November) im Alter von 90 Jahren gestorben. Für mich wird sein Name immer verbunden bleiben mit Erinnerungen an meine geliebte Ehefrau Erdmuthe Sturz.
Trotz – oder eher wohl gerade wegen – ihrer fortgeschrittenen Krebserkrankung hat Erdmuthe Sturz sich Ostern 2010 einer Reisegruppe der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nach Kuba angeschlossen. Damit erfüllte sie sich einen Traum, den sie jahrzehntelang gehegt, sich aber nie umzusetzen getraut hatte.
Mehrere Menschen aus meinem Bekanntenkreis hatten Castro persönlich getroffen. Meist handelt es sich um Politiker der Grünen wie Jutta Ditfurth, die den Commandante in Havanna und in Moskau traf. Für viele „Linke“ war der Mann in der olivgrünen Uniform ebenso eine Ikone wie sein Mitstreiter Ernesto „Che“ Guevara.
Nicht so sehr Castro selbst, als vielmehr die legendäre Zuckerrohr-Insel reizte Erdmuthe. Die Delegation unter Leitung eines vertrauten Kollegen bot ihr die Chance, trotz ihrer angeschlagenen Gesundheit selber die Insel ihrer Träume zu erkunden.
Mit mehr als 400 Fotos, zwei CDs und einem strahlenden Gesicht kam sie nach Marburg zurück. Sie hatte uralte Autos, verfallende Häuser und Armut gesehen, aber auch Lebensfreude und Solidarität der Menschen untereinander. Sie lobte das vorbildliche Gesundheitssystem Kubas und kritisierte die korrumptive Wirkung der offiziellen Devisen-Währung des Landes.
Die kubanische Revolution 1959 sei nur mit großem Glück erfolgreich verlaufen, meinte sie. Sehr stümperhaft hätten die Revolutionäre um Castro ihr Vorhaben angegangen, das vor allem wegen breiter gesellschaftlicher Unterstützung zur Entmachtung des Tyrannen Fulgencio Batista führte. Die daraufhin verhängten Sanktionen der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) hätten das Land schwer belastet.
Uralte Autos, die noch aus den 50er und 60er Jahren stammten, hat Erdmuthe auf ihrer Reise fotografiert. Ein Bild zeigt, wie Menschen am Straßenrand sitzen und ein Ferkel auf einem Spieß braten. Mangel war Alltag, der aber vor allem einer menschenverachtenden Sanktionspolitik geschuldet war.
Dagegen stand jedoch eine unbändige Lebensfreude, die sich vor allem in der Musik ausdrückte. Begeistert berichtete Erdmuthe von Rentnerbands, die in Alter und musikalischer Qualität dem Buenavista Social Club in nichts nachstanden. Genauso war sie aber auch einer Gruppe junger Frauen begegnet, die den allgegenwärtigen Hit „Commandante Che Guevara“ mit jugendlichem Schwung gekonnt vortrugen.
Leonardo Padura zeichnet in seinen Kriminalromanen ein eher realistisches Bild Kubas. Gemeinsam haben wir seine Krimis gelesen, aus denen der kubanische Autor auch mehrmals persönlich in Marburg vorlas. Selbst seinen Hochzeitstag feierte Padura an der Lahn.
Ein Paradies war und ist Kuba nach alledem nicht. Menschenrechte sind dort gefährdet wie in vielen anderen Ländern auch. Soziale Gerechtigkeit ist auch in Kuba eher eine Utopie als alltägliche Wirklichkeit.
Dennoch hat die kubanische Revolution einige Schritte in die richtige Richtung unternommen. Zudem war sie Vorbild für weitere Bewegungen und Regierungen in Lateinamerika, die nun ebenso unter wirtschaftlichem Druck aus den USA stehen wie Kuba.
Die Aussöhnung der USA mit Kuba wiederum ist eine überfällige Entwicklung. Rechtsbrüche haben sich in der Vergangenheit garantiert beide Seiten zuschulden kommen lassen, wobei die US-Politik vielfach ihre Position relativ größerer Macht brutal missbraucht hat. Sozialismus indes ist ohne Meinungsfreiheit ebenso unmöglich wie ohne die notwendigen Güter für das nackte Überleben.
Zu hoffen bleibt, dass die Annäherung der USA und Kubas nach dem Wahlsieg von Donald Trump nicht wieder aufhören. Vielleicht war Fidel angesichts dieser Entwicklung ja nicht mehr fidel genug, eine Zukunft unter dem Rassisten und Rechtspopulisten Trump miterleiden zu wollen?
Der am 13. August 1926 geborene Fidel Alejandro Castro Ruzwird als stundenlang filibusternder Redner ebenso in die Geschichte eingehen wie als ein Mensch, der mit seinen Überzeugungen einem Riesen fast fünf Jahrzehnte lang erfolgreich widerstanden hat. Zuletzt hat Castro die USA in die Knie gezwungen, denn trotz aller Widrigkeiten hat sich Kuba von der Weltmacht nicht kleinkriegen lassen. Das ist auch das Verdienst von Raoul und Fidel Castro.
Vor allem aber zeigen die Castro-Brüder, dass man Geschichte nicht widerstandslos hinnehmen muss. Auch wenn sie nicht alle Hoffnungen erfüllt haben, die das kubanische Volk einst in sie gesetzt haben mag, haben sie sich doch nicht dem Diktat des Stärkeren unterworfen und ihre Ideale vollständig geopfert. So machen sie Mut auf mehr Mut zum Einsatz für Soziale Gerechtigkeit.

4 Kommentare zu “Keiner kriegt Kuba klein: Zum Tod von Fidel Castro

  1. Vielen Dank ! Bin beeindruckt ! Nächstes Jahr im Februar fliegt unsere Tochter nach Kuba. Ich beneide sie darum. Mit der Annäherung an die USA und deren Wirtschaftssystem ist der kubanische Weg (denke ich) beendet. Deswegen besuchen viele Bekannte von mir die Insel, um noch kurz vor der wirtschaftlichen Invasion der Amerikaner etwas „Sozialismusfeeling“ zu bekommen. Das ist nicht der Mangel (der scheinbar mit diesem System immer einhergeht) – es sind die Menschen, die anders geprägt sind. Das macht den Unterschied und für Touristen auch den exotischen Reiz aus. Schade das es bald vorbei ist.
    In Deinem tollen Beitrag kommt auch die Zwiespältigkeit Kubas sehr schön durch, denn Fidel hat natürlich die Errungenschaften schützen wollen, dass mit undemokratischen Mitteln. Das ist ein Balanceakt und es gibt immer Menschen, die gegen die Regierung sind, wenn diese nicht rechtmäßig gewählt ist, dann um so mehr.
    Wirklich erstaunlich wie ein so kleines Land dem stärksten Staat der Welt Paroli geben konnte. Danke nochmals für Deinen tollen Beitrag.
    Gruß aus dem Vogtland
    Ronald

  2. Guter Beitrag. Kuriosum am Rande: Eigentlich ist Castro erst am 13.08.1927 geboren, er hat sich älter machen lassen, um auf eine katholische Schule in Havanna gehen zu können.

  3. Ein bemerkenswerter Beitrag, der durch seine ausgewogene Betrachtung der Person Fidel Castros als Revolutionär, seiner Bedeutung für die Zeitgeschichte und der gesellschaftlichen Wirkung in der Zukunft gerecht wird.

  4. „. . . Fidel hat natürlich die Errungenschaften schützen wollen, . . .“ Ja so geht es dem Sozialismus überall . Man lebte nicht im Überschwang wie heute, wo alles da sein muss ohne Rücksicht auf Menschen, Natur und Tiere. Und in Übermengen produziert und dann entsorgt wird: Plaste im Meer, Gülle auf dem Acker, Grippeviren in der Elbe. Ich hätte mir auch mehr Schutz beim Ab- und Raubbau des DDR-Sozialismus gewünscht. Denn mit welchem Recht wurden hier – dank Treuhand – jahrhunderte alte Betriebe geschlossen, die Leute arbeits- und dann obdachlos gemacht – mit Macht. Ich dachte immer, wer vereinigt sich schon mit so einem bankrotten Staat wie der DDR. Aber nein, sie hatte noch Kinder, Jugendliche , Fachkräfte UND IMMOBILIEN, so dass heute die entlassenen Arbeitskräfte wie dem Busunternehmer hier in der Nähe wohl heute „Ihre LUXUS-€igentumswohnung“ kaufen können, wozu das Betriebsgebäude umgebaut wurde, was schon damals ein wunderbarer Bau war, zwei Weltkriege UND 40 Jahre DDR überLEBT hat. Aber nicht die BRD. Bagger statt Bomben. Selbst den Luisenhof, der ehemals Hotel mit Gaststätte, wo man nach Arbeit auf dem Balkon Dresdens sein wohlverdientes Käffchen trinken konnte, beherbergt jetzt Eigentumswohnungen. Der vorherige Betreiber der Gaststätte musste aufgeben, weil er die raufgesetzte Pacht nicht mehr bezahlen konnte. Nun hat ein Ehepaar wieder eröffnet. Nur ob die Eigentümer die Gaststätte auch so oft wechseln und essen kommen, wie ehemals die Hotelgäste, wage ich stark zu bezweifeln. Und arbeitslose Dresdener haben zwar nun viel Zeit, aber nicht mehr das nötige Kleingeld – wie für den Fernsehturm. Ja so bemächtigte man sich der Errungenschaften des Aufbaus nach dem Krieg. Von Achtung der Leistungen der Leute, die nach dem Krieg eben nicht flüchteten, sondern anpackten und aufbauten, keine Spur. Man schließt, lässt es verrotten und baggert weg. Wie man es ja auch vor der Mauerfall(€) im Radio vom Westen hörte. Es ging nicht um Einführung der Demokratie, sondern des Kapitalismus pur.

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