Nach 70 Jahren immer noch jung: Meine Gratulation zu einem ganz besonderen Geburtstag

Voller Dankbarkeit gratuliere ich dem heutigen Geburtstagskind. Mein Verhältnis zu ihm trifft am ehesten das Wort „Liebe“. Wenn ich an diese – mittlerweile unglaubliche 70 Jahre alte und trotzdem immer noch junge – Wegbegleiterin meiner Kindheit denke, bekomme ich leuchtende Augen.
Am 26. Februar 1948 eröffnete Walter Oehmichen mit dem Märchen „Der gestiefelte Kater“ nach der bekannten Fassung der Brüder Grimm im Augsburger Heilig-Geist-Spital ein eigenes Marionettentheater. Bereits seit 1943 spielte der Dramaturg beim Augsburger Stadttheater Marionetten, die er in einer großen Kiste von Spielstätte zu Spielstätte transportierte. Nachdem diese Kiste bei einem Fliegerangriff zerstört worden war, gab er seinem Marionettentheater 1948 den Namen „Augsburger Puppenkiste“.
Seit 1953 verfilmte das Fernsehen die Inszenierungen. Ab 1959 zeichnete der Hessische Rundfunk (HR) eigene Inszenierungen speziell für das Fernsehen auf.
Diese kleinen Serien, die immer in der Adventszeit ausgestrahlt wurden, habe ich seit Kindertagen immer mit Begeisterung angeschaut. Das änderte sich auch nicht, als ich älter wurde. Die liebevollen Aufführungen vom „Urmel aus dem Eis“, „Kater Mikesch“, Max Kruses „Der Löwe ist los“ sowie „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer“ nach einem Kinderbuch von Michael Ende gehören zu meiner Kindheit wie der Weihnachtsbaum mit seinen Kerzen, die Wiking-Autos oder die Märklin-Eisenbahn, mein „Pucky“-Tretroller und das Schneemann-Bauen oder Schlittenfahren im Winter.
Voller Liebe hat die Familie Oehmichen Kinder und Erwachsene in ein märchenhaftes Reich voller Phantasie entführt. Hannelore Oehmichens Liebe zum Detail ließ den sprechenden Kater Mikesch auf einem Motorrad fahren, das knatterte und Funken sprühte, oder das Ehepaar in der Verfilmung von „Geliebter Herr Teufel“ nach dem Jugendbuch von Christine Nöstlinger auf Rolltreppen durch ein Kaufhaus fahren.
Diese Begeisterung aller Beteiligten für ihr Marionettentheater wirkt auch heute immer wieder ansteckend. Berühmte Autoren wie Paul Maar oder Ellis Kauth haben Stücke eigens für die „Augsburger Puppenkiste“ geschrieben. In Sachfilmen für Kinder kamen die kleinen „Stars an fäden“ der Puppenkiste zum Einsatz.
Auch Erwachsenen bot Oehmichen und seine tolle Truppe Einiges: Mit einem Kabarettprogramm verabschiedet die Puppenkiste jedes Jahr und schreibt die Gags immer aktuell ins Neue Jahr fort. Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“ sorgte auf dem Höhepunkt des „Kalten Kriegs“ 1960 für Streit in Augsburg über den berühmten – aber nicht allseits beliebten – Sohn der Stadt.
Heute leitet Oehmichens Enkelsohn Klaus Marschall das Marionettentheater. Angesichts seiner wunderbaren Vergangenheit besitzt es sogar ein eigenes Museum mit Dauer- und Wechselausstellung. Viele märchenhafte Momente bleiben so der Nachwelt erhalten.
Doch die „Augsburger Puppenkiste“ gehört wieder ins Fernsehen. Sie lehrt Kinder sehen, empfinden und bewundern, was Phantasie alles auf die Bühne bringen kann. Vor Allem aber gehört die „Augsburger Puppenkiste“ in die Herzen wie meines, wo sie einen unauslöschlichen Platz hat, den man letztlich nur mit dem Wort „Liebe“ treffend beschreiben kann.

Ein Kommentar zu “Nach 70 Jahren immer noch jung: Meine Gratulation zu einem ganz besonderen Geburtstag

  1. Wenn ich heute die Kinderkanäle und Sendungen sehe, da vermisse ich schon mit sehr großer Wehmut die „Augsburger Puppenkiste“. Durch die Möglichkeiten der Computeranimation ist vieles lieblos und phantasielos geworden. Na gut, hängt vielleicht auch damit zusammen, dass fast rund um die Uhr gesendet wird und man „Masse“ braucht.
    Im Vogtland gab es kein Problem mit dem Westempfang, so dass ich als Kind auch mit Kater Mikesch, Jim Knopf, Urmel und den vielen anderen tollen Marionettenfiguren aufgewachsen bin. Die Lieder haben wir auf dem Spielplatz dann immer nachgesungen. Unser Hit war das Lied der Blechbüchsenarmee, dass ich heute noch so halbwegs hinbekommen würde. Als ich dann von meinen Eltern einen Plüschkater bekam war es selbstverständlich, dass er Mikesch hieß. Inspiriert von der Puppenkiste versuchte ich auch eigene Marionetten zu basteln, was mir aber wegen fehlendem handwerklichen Talent nicht so gut gelang.
    Die Geschichten der Augsburger Puppenkiste waren immer liebevoll und kindgemäß
    gemacht, genau wie die Marionetten. Selbst meine Eltern hatten damals mit Freude die Episoden angesehen, war doch immer auch hintergründiger Humor im Spiel.
    Du hast Recht, die Augsburger Puppenkiste gehört wieder ins Fernsehen. Den Menschen und also auch Kindern kommt immer mehr die Phantasie abhanden und damit auch Lebensfreude. Aber der Zeitgeist lässt da wohl nicht mehr viel Möglichkeiten zu …

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