Der Ostergottesdienst dauerte zwei Stunden. Für mich war das einfach zuviel.
Für die Kinder gab es in der katholischen Pfarrkirche Sankt Laurentius in Lessenich nur Kniebänke. Die Erwachsenen hatten auch Sitzbänke, während Kinder damals in den vorderen Reihen bei Gottesdiensten nur knien oder stehen durften. Unruhig rutschte ich hin und her, weil mir die Knie wehtaten.
Dazu schwenkte der Pfarrer auch noch eifrig seinen Weihrauch in die Kirche hinein. Ich fühlte mich benebelt und ziemlich geschwächt.
Irgendwann bin ich dann ohnmächtig aus der Kirchenbank gekippt. Passiert sein muss das wohl Ostern 1960. Jedenfalls war ich damals noch so klein, dass unser Nachbar mich auf Händen heimtragen konnte.
Später hätten auch durchtrainierte Bodybuilder Mühe gehabt, mich auf Händen herumzutragen. Doch das kleine Fränzchen war ziemlich kränklich und hielt nicht die zwei Stunden Orgelgedröhne mit Weihrauch und Knien durch.
Erst schämte ich mich für meine Ohnmacht, doch schon bald erkannte ich ihren höheren Sinn: Im Folgejahr wurde ich vom Ostergottesdienst befreit. Auch die Kinder erhielten bald Sitzbänke zu den Kniebänken in den vorderen Reihen der barocken Kirche.
In die sonntäglichenMessen schickten uns unsere Eltern aber weiterhin, während mein Vater selber nur zu Ostern, Pfingstenund Weihnachten sowie bei Hochzeiten und Begräbnissen zum Gottesdienst ging. Jedes Jahr schaltete eram Ostersonntag den Fernseher ein und bekreuzigte sich beim Segen „Urbi und Orbi“ des Papstes, wobei er auf dem weichen Wohnzimmerteppich kniete.
Ansonsten war Ostern aber ein sehr schönes Fest. Stundenlang färbte meine Mutter Ostereier undpolierte sie anschließend mit Speckschwarte. Am Ostermorgen durften die beiden ältesten Brüder dann die Osternester für die Kleinen im Garten versteckenoder bei Regenwetter in der wohnung. Später versteckten die Kleinen dann die Osternester der Großen.
Neben Hühnereiern gab es auch Schokoladeneier, Marzipaneier und Geleefrüchte sowie einen Schoko-Osterhasen. Zum Frühstück aßen wir Rührei und zu Mittag „Falschen Hasen“. Das ist ein – mit Speck gespickter – Hackbraten, den mein Vater auch „Deutsches Beafsteak“ nannte.
Die schönen Feierlichkeiten der Kindertage bleiben das ganzeLeben in guter Erinnerung. Die Ohnmacht ist inzwischen auch nur noch eine hübsche Anekdote. Die viele Arbeit meiner Mutter für unsere kinderreiche Familie aber rührt mich noch heute zu tiefer Dankbarkeit.
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