Literarisches Lessenich: Lesen lernen und Gedichte schreiben und

In Lessenich habe ich Lesen und Schreiben gelernt. Das geschah jedoch nicht nur in der Schule.
Der Oberlehrer hatte oben im alten Schulgebäude eine Bibliothek eingerichtet. Einmal die Woche öffnete er den Raum für ein oder zwei Stunden. Dann konnten die Kinder des Dorfs sich dort Jugendliteratur ausleihen.
Von dieser Möglichkeit machten meine beiden älteren Brüder und ich regen gebrauch. Jede Woche lieh ich mir ein neues Buch aus und gab ein altes zurück. So wurde Lesen für mich zur festen Gewohnheit.
Zunächst las ich Kindergeschichten und Märchen. Mehr mochte ich Märchen jedoch, wenn „Die Tante“ sie erzählte. Ihre Stimme betonte die Stimmungen wie Furcht und Hoffnung, während sie die Handlung gemütlich vorantrieb.
Auf Bilderbücher folgten schnell kleine Geschichten und Abenteuerromane der „Fünf Freunde“von Enid Blyton. Bald las ich auch Karl May oder Bücher von Herbert Kranz. Die „Sagen des klassischen Altertums“ von Siegfried Schwab bekam ich zur Erstkommunion geschenkt.
Die kleine Schulbibliothek in Lessenich und der Oberlehrer legten den Grundstein zu meiner literarischen Bildung. Meine Eltern unterstützten dieses Interesse nach Kräften, indem sie uns zu Geburtstagen oder Weihnachten auch fast immer Bücher schenkten. Natürlich las ich dann oft auch die Bücher meiner älteren Brüder.
Mein jüngerer Bruder Horst war allerdings noch engagierter beim Lesen als ich. Kaum ging er zur Schule, da versuchte er auch schon, das neu erworbene Wissen stolz an seine kleine Schwester weiterzugeben.
Er las ihr Bilderbücher vor und zeigte ihr die einzelnen Buchstaben. So konnte Christiane bereits lesen, als sie eingeschult wurde. Das Gleiche gelang Horst später auch mit seinen beiden Töchtern, die schon mit drei Jahren zu lesen anfingen.
Doch auch mein jüngster Bruder Georg schaffte das ei seinen Töchtern. Die frühe Leseförderung trug so große Früchte, dass seine älteste Tochter in der schule ein Jahr übersprang und schon mit 17 Jahren als Klassenbeste das abitur ablegte.
Auch seine jüngste Tocher war fit genug, um schon mit fünf Jahren eingeschult zu werden. So setzte sich in der Familie fort, was meine ältesten Brüder bereits mit mir und Horst begonnen hatten, indem sie uns schon vor der Einschulung die ersten Buchstaben beibrachten.
Meine Lesewut ließ indes nach dem Umzug der Familie auf den Venusberg nach. Dort gab es keine Bibliothek, die den richtigen Lesestoff für mich bereithielt. So las ich eher die Groschenromänchen, die meine elteren Brüder mitbrachten und nach dem Durchlesen liegenließen.
Natürlich bekamen wir auch weiterhin zum Geburtstag oder Weihnachten Bücher geschenkt. Auch lieh ich mir die Schullektüren in der Schulbibliothek des Helmholtz-Gymnasiums in Duisdorf aus. Zudem ging ich auch drei- oder viermal in die Stadtbücherei am Bottlerplatz, die für mich allerdings ziemlich unübersichtlich war.
Angesichts meiner allmählich einsetzenden Sehbehinderung wurde das Lesen für mich auch immer mühseliger. Darum las ich bald nur noch, was ich für den Schulunterricht lesen musste oder was mich wirklich interessierte.
Dafür verfasste ich aber bald selber Gedichte. Mein Deutschlehrer ermutigte mich darin sehr. Er fand, meine literarischen Fähigkeiten seien durchaus ausbaufähig.
Ich jedoch zweifelte eher an meinem literarischen Talent. Wenn meine vielen Verse an meine sommersprossige Angebetete bei ihr keine Wirkung zeigten, dann waren sie meiner Meinung nach wohl nicht gut genug. Trotzdem schrieb ich weiter und behielt meine Versuche für mich.
Allenfalls mit meinem Schulfreund Willi teilte ich sie. Er gab mir Anregungen und übte Kritik, die mich wirklich weiterbrachte. Seine eigenen Gedichte gefielen mir jedoch viel besser als meine Verse.
Ein erfolgloser – peinlich eitler – Poet ohne Wirkung wollte ich nicht werden. Dergleichen gab es bereits viel zu viele, fand ich. Darum entschied ich mich dafür, den Beruf eines Journalisten anzustreben.
Meine Liebe zur Sprache könnte ich da durchaus auch ausleben. Auch mein Interesse an Politik und Kultur sowie gesellschaftlichen Vorgängen wäre hilfreich bei der Ausübung dieses Berufs. Allerdings sollte es Jahre dauern, bis mein Berufswunsch tatsächlich Wirklichkeit wurde.
An Zeitungen und Zeitschriften mitgearbeitet habe ich zwar schon während meiner Schulzeit, aber bezahlt wurde ich dafür nie. Erst im Herbst 1986 änderte sich das. Trotz meiner Behinderung bekam ich eine Stelle beim „Marburger Rundblick“, wo ich offiziell ein Volontariat absolvierte, tatsächlich aber bald das operative Geschäft organisierte.
Nebenbei arbeitete ich auch freiberuflich. Später war ich nur noch als Freier Journalist tätig. Ich schrieb für Zeitungen, Zeitschriften und erstellte Beiträge für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk.
In Marburg stieg ich Ende 1986 in den Bus und setzte mich auf den Behindertenplatz hinter dem Fahrer. Eine junge Frau stieg an der nächsten Station zu und nahm Platz neben mir.
Wir kamen ins Gespräch. Sie fragte mich, was ich beruflich mache. Ich antwortete ihr, dass ich als Freier Journalist unter anderem für den Hessischen Rundfunk (HR) arbeite.
„Das ist doch ein Traumberuf“, schwärmte sie. Schlagartig wurde mir klar, dass ich zwölf Jahre nach dem Abitur wirklich meinen Traumberuf ergriffen hatte.
Auch wenn das harte Brot der Freien im Journalismus nicht immer ausreicht, um sie wirklich satt zu machen, war und ist der Journalismus doch wirklich ein wunderbares Arbeitsfeld. Ich lerne unterschiedlichste Menschen kennen und komme mit vielen außergewöhnlichen Persönlichkeiten in einen ganz besonderen Kontakt. Zudem bin ich immer am Puls der Zeit.
Journalisten sind die Klatschbasen der Gesellschaft. Zugleich sind sie Mahner und Warner, Berichterstatter und Leichengräber. Ohne Pressefreiheit ist Demokratie nicht gänzlich garantiert.
Ich liebe meinen Beruf und möchte ihn ausüben, bis ich tot umfalle. Untätig herumzusitzen, ann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Journalismus regt die Hirnzellen an und schärft Sprache und Gedächtnis.
Mit zunehmendem Alter meldet sich meine literarische Neigung aber wieder und will Formen annehmen Mein Leben war reich genug, um es auch literarisch zu verarbeiten. Darum schreibe ich nun über meine Kindheit in Lessenich und später vielleicht auch über meine Jugend auf dem Venusberg oder meine Erfahrungen in der Politik.
Mehrere Sachbücher und Buchbeiträge habe ich bereits geschrieben; doch Belletristik fehlt mir noch in meiner Publikationsliste. Zumindest online lässt sich das leicht ändern. Lessenich bildet den Ausgangspunkt dieser literarischen Reise durch mein bisheriges Leben und meine – nicht immer ungetrübten – Erinnerungen an meine Kindheit.

2 Kommentare zu “Literarisches Lessenich: Lesen lernen und Gedichte schreiben und

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