Krieg ist ein Verbrechen: Blinde sind besonders betroffen

Stell Dir vor, es ist Krieg; und Du bist blind! Als Blinder kommt mir dieser Gedanke in letzter Zeit oft in den Sinn.
Seit dem Angriff russischer Truppen auf die Ukraine treibt mich die Sorge um, dieser Krieg könnte auch weiter nach Westen vordringen. Der russische Präsident Vladimir Putin hat ja sogar mit Atomwaffen gedroht. Was dann geschieht, mag ich mir lieber nicht vorstellen.
Mir reicht schon die Vorstellung, ich wäre auf der Flucht vor Kampfhandlungen irgendwo vielleicht in der Ukraine. Während die meisten anderen sehen können, wohin sie fliehen müssen, müsste ich mich auf die Hilfe anderer Menschen verlassen; odder ich wäre verlassen und verloren!
Wenn die Menschen ihre eigene Haut retten wollen, dann belasten sie sich wahrscheinlich nicht mit einem Blinden, den sie nur langsam geleiten können. Wer wegrennt vor Bomben und Granaten, der schaut nur noch nach vorne, wo er sein eigenes Überleben erkennen möchte. Während meine Blindheit in einem zivilisierten Land wie Deutschland und in einer sozial geprägten Stadt wie Marburg im Alltag nur manchmal ein Ballast ist, wäre sie in einem Krieg höchstwahrscheinlich der sichere Tod.
Meine Wut über den Verbrecher Putin ist darum besonders groß, weil er diesen Krieg mit Lügen und Großmachtphantasien vom Zaun gebrochen hat, ohne dabei an das Schicksal der betroffenen Menschen zu denken. Ihm sind die Bewohnerinnen und Bewohner der Ukraine ebenso egal wie die in Russland. Frauen und Kinder sowie Behinderte ermordet er mit Bomben und Raketen, die er auf Dörfer und Städte abschießen lässt.
Putin ist ein Verbrecher. Ihm sollte man nicht nur mit Sanktionen entgegentreten, so wichtig sie auch sind, sondern mit einer Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Dort gehört er – ebenso wie seine engsten Vertrauten einschließlich von Gerhard Schröder – auf die Anklagebank.
Waffenlieferungen an die Ukraine lehne ich trotzalledem ab. Die Gefahr wäre zu groß, dass sie den Krieg und die Gewalt nur verlängern und bald den russischen Militärs in die Hände fielen. Waffen sind keine Lösung.
Allerdings kann ich all diejenigen verstehen, die für Waffenlieferungen an die Ukraine plädieren. Ohne jeden Zweifel hat das Volk dort ein Recht auf Selbstverteidigung. Notwehr gegen einen feigen und völkerrechtswidrigen Angriff ist auch für mich als bekennenden Pazifisten durchaus zu rechtfertigen.
Das alles muss ich nun aufschreiben, nachdem ich zuvor Geschichten über meine allmähliche Erblindung und die Erfahrungen damit online gestellt habe. Ähnlich wie Jens Bertrams in seinem „Kriegstagebuch“ auf seinem Blog blog.jens-bertrams.de drängt es auch mich, meine Gedanken und Empfindungen aufzuschreiben und in die Welt hinauszuschreien. Sie sind geprägt von Furcht und Wut, Bewunderung für den Mut vieler Menschen in der Ukraine und besonders auch in Russland sowie von Sorge um die friedliche Zukunft Europas.
Bei der Mahnwache am Samstag (26. Februar) vor dem Erwin-Piscator-Haus (EPH) in Marburg war auch von Fehlern die Rede, die der Westen im Vorfeld dieses Angriffs gemacht hat. Auch wenn es solche Fehler unzweifelhaft gegeben hat, gebe ich dem Marburger Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies Recht, dass jetzt nicht die Zeit dafür ist, darüber länger zu diskutieren. Ebensowenig ist es angemessen, jetzt über steigende Preise und die drohende Inflation zu lamentieren angesichts des Todes tausender Menschen in der Ukraine.
So bleibt mir am Ende die Hoffnung, dass die Sanktionen Putin aus dem Amt drängen können. Die Oligarchen in Russland haben sich schon sehr deutlich gegen den Einmarscch in die Ukraine positioniert. Meine Überzeugung ist, dass Putin krank ist und schnellstmöglich aus dem Amt gedrängt werden muss.
Der Mut vieler Intellektueller in Russland, sich trotz harter Konsequenzen gegen diesen völkerrectswidrigen Krieg zu stellen, berührt und ermutigt mich. Wenn das „Land am RAnd“ – wie man „Ukraine“ übersetzen könnte –
nunmehr mitten in Europa und den Herzen der Europäerinnen und Europäer angekommen ist, dann haben wir darin auch noch Platz für alle aufrechten Russinnen und Russen. Weiterhin werde ich mich mit meiner Kraft dafür einsetzen, dass jeder Krieg – auch in Äthiopien, Syrien und im Jemen – und alle Waffen geächtet gehören.

2 Kommentare zu “Krieg ist ein Verbrechen: Blinde sind besonders betroffen

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