Ein Interview über seine Sehbehinderung: Meine Erinnerungen an Roman Herzog

Prof. Dr. Roman Herzog ist am Dienstag (10. Januar) in Jena gestorben. Bei seinem Besuch in der Deutschen Blindenstudienanstalt (BliStA) habe ich ihn am 21. Juni 1997 interviewt. Dabei erzählte der damalige Bundespräsident mir von seiner eigenen Sehbehinderung.
Geboren wurde Herzog am 5. April 1934 in Landshut. Seine leicht weinerliche Stimme verlor den letzten Rest des dortigen Dialekts zeitlebens nicht.
Von 1994 bis 1999 war Herzog der 7. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Besonders in Erinnerung geblieben von ihm ist seine – leider allzu stark gefeierte – „Ruck-Rede“, in der er forderte: „Durch Deutschland muss ein Ruck gehen!“
Als Ziel benannte er dabei den Verzicht auf „lieb gewordene Gewohnheiten“. Letztlich läutete Herzog damit die schändlichen „Hartz-Reformen“ des späteren SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder und seinener „Rechten Hand“ Frank-Walter Steinmeier ein, die einer der wesentlichen Gründe für das neuerliche Erstarken rechtspopulistischer Hetze in Deutschland darstellen.
Mir trat Herzog indes sehr freundlich entgegen. Ein persönliches Geheimnis vertraute er mir und meinem Mikrophon sowie dem Aufnahmegerät des neben mir stehenden HR-Kollegen Gerd Kuhn an: Seine Augen seien sehr lichtempfindlich; wenn er aus dem Dunkeln ins Licht trete, sei er beinahe blind.
Ansonsten aber war Herzog sehr wandlungsfähig. An ihm kann man auf beinahe vorbildliche Weise nachvollziehen, wie das Sein das Bewusstsein bestimmt: Mit jedem seiner Ämter änderte Herzog zugleich auch seine Haltung.
War er als baden-württembergischer Innenminister noch ein knallharter Verfechter einer gnadenlosen Law-and-Order-Politik, so mauserte er sich als Verfassungsrichter und insbesondere ab 1987 als Verfassungsgerichtspräsident zum engagierten Hüter der Grund- und Bürgerrechte. Als Bundespräsident bemühte er sich um ein möglichst populäres Auftreten, das er gelegentlich mit Ermahnungen wie seiner legendären „Ruck-Rede“ verband.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundespräsidialamt versuchte sich Herzog dann als Querdenker, indem er eine Art „Klassen-Wahlrecht“ vorschlug, das sogenannten „Leistungsträgern“ bis zum Dreifachen des Stimmrechts anderer Wahlberechtigter zuteil werden lassen sollte. Als Verfassungsrichter hätte er solch einen Vorschlag garantiert abgelehnt.
Letztlich bleibt mir Herzog deshalb als eine Art politisches Chamäleon in Erinnerung. Menschlich hingegen erinnere ich mich mit ihm an einen freundlichen, zugewandten und durchaus angenehmen Gesprächspartner.

Ein Kommentar zu “Ein Interview über seine Sehbehinderung: Meine Erinnerungen an Roman Herzog

  1. Spitzenbeitrag wie ich es nicht anders von Dir kenne. Interessant die Wandlungsfähigkeit dieses Mannes.Manche tun einfach alles für Karriere und Einfluss. Gruß aus dem Vogtland. Ro Q

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