Demut tut gut: Wir schaffen auch das

Als ich diese Nachricht hörte, musste ich weinen: Baden-Württemberg nimmt Corona-Patienten aus dem benachbarten Elsaß auf. In Frankreich gibt es nicht genug Beatmungsplätze für sie.
Im norditalienischen Bergamo muss das Krankenhauspersonal innerhalb weniger Minuten entscheiden, wer beatmet wird und wen es jämmerlich krepieren lässt. Kollonnen von Militärlastern transportieren nachts die Leichen aus der Stadt hinaus. Nicht einmal einen wüprdigen Tod und ein Begräbnis im Kreise von Familie und freunden ist den Opfern der Pandemie dort vergönnt.
Trotz der Corona-Krise will Innenminister Horst Seehofer Flüchtlingskinder aus Griechenland aufnehmen. Nicht ohne Grund habe ich den CSU-Politiker mehrmals als „Rassisten“ bezeichnet; nun aber möchte ich ihn am liebsten umarmen.
Wer in einer Zeit wie jetzt nur an sich selber denkt und Mitmenschlichkeit aufgibt, der gibt damit auch die eigene Zukunft auf. Alle müssen jetzt zusammenstehen. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern weltweit.
Allen verlangen diese Zeiten Einiges ab: Wer behauptet, keine Angst zu haben, der lügt entweder; oder er hat die Tragweite der Situation noch nicht verstanden. Wir alle müssen mit der eigenen Furcht umgehen und der Trauer den Raum geben, den sie braucht.
Wir müssen nach Möglichkeit physisch wie psychisch gesund bleiben. Darum müssen wir einander ermutigen und bestärken, trösten und aufeinander achtgeben.
Irgenddwann wird diese Pandemie vorüber und die Krankheit besiegt sein. Doch die Erfahrungen damit werden uns alle verändern. „Wir schaffen das“, rufe ich alen Verzagten mit den wichtigsten Worten der Bundeskanzlerin Angela Merkel zu.
Wir müssen verstehen, dass wir alle zusammen das sind, was sich „Staat“ nennt. Demokratie kann und muss sich gerade jetzt in der Krise beweisen. Zusammen werden wir Demokratie und Humanität beschützen.
In dieser dramatischen Lage muss die Regierung besonnen und vorausschauend handeln. Überreaktionen könnten zu Panik führen, während verspätetes Handeln Leben kosten kann. Angesichts dieses Dilemmas sollten wir alle verantwortungsbewusst handeln und uns freiwillig so verhalten, als wären wir infiziert.
Schließlich kennt die neue Krankheit „Covit 19“ viele „asymptomatische Verläufe“: Infizierte merken oft gar nicht, dass sie sich angesteckt haben. Oft treten die Symptome auch erst Tage nach einer Infektion auf.
Entgegen anderer Auffassungen leiden übrigens auch 14 Prozent der Personen im Alter unter 27 Jahren an einem schweren Verlauf. Der Anteil schwerer Erkrankungen steigt dann mit zunehmendem Lebensalter und vor allem aufgrund vorheriger Erkrankungen. Alle können also selber betroffen sein oder andere unbewusst mit dem Virus anstecken.
Betrüblich ist, dass noch am Mittwoch (18. März) Menschen in Gruppenauf Plätzen herumstanden und „Coronapartys“ feierten. Erfreulich ist, dass es sich dabei allerdings nur um einen sehr geringen Anteil der Bevölkerung handelte. Die allermeisten Mitmenschen verhalten sich verantwortungsvoll und halten Abstand.
Eine gigantische Welle der Solidarität macht mir Mut. Nachbarschaftshilfe beweist Solidarität vor allem mit Menschen aus Risikogruppen. Der Abschiedsgruß „Bleib gesund!“ zeugt in diesen Tagen von echter Anteilnahme.
Spätestens jetzt wissen wir, dass Gesundheit keine Ware und Krankenhäuser keine Profitcenter sind, sondern lebenswichtige Infrastruktur. Nun ist hoffentlich Allen klar, dass medizinisches Fachpersonal auch finanziell geachtet gehört. Nun rächt sich neoliberale Marktradikalität und der Überlegenheitswahn technokratischer Allmachtsphantasien.
Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) wäre in solchen Situationen wie jetzt die beste Lösung für eine Vermeidung sozialer Härten. Bekäme jede Bürrgerin und jeder Bürger automatisch vielleicht 1.000 Euro im Monat, müsste ohne jeden bürokratischen Aufwand niemand verhungern. Kein Mensch müsste sich um seine wirtschaftliche Existenz sorgen.
Die Kehrseite der neoliberalen Globalisierung zeigt sich nun in gefährdeten Lieferketten aufgrund ausbleibender Containerschiffe und im Einschleppen der Infektion in fast alle Staaten weltweit. Der internationale Massentourismus belastet nicht nur das Klima, sondern auch diejenigen, die Touristinnen und Touristen aus zahlreichen Ländern nun von ihren Urlaubsorten mit aufwendigen Aktionen zurückholen müssen.
Die unbekannte neue Situation gibt uns nun die einmalige Chance, in aller Ruhe nachzudenken über unser alltägliches Leben: Brauchen wir Billigflüge in ferne Länder wirklich? Benötigen wir Obst aus fernen Kontinenten dringend?
Was ist uns unsere Gesundheit und die unserer Lieben wert? Wollen wir lebenswichtige Infrastruktur sicherstellen oder einem radikalen „Markt“ opfern, der nur den spitzen Bleistift und die ausgeschüttete Dividende kennt? Wollen wir die wirklichen Leistungsträgerinnen fair bezahlen oder eher denjenigen zu Reichtum verhelfen, die ihr Geld und andere Menschen für sich arbeiten lassen?
Rennen wir Großmäulern und Rassisten hinterher oder achten wir lieber auf die Alten, die Kranken und Behinderten sowie die sozial benachteiligten Menschen? Packen wir gemeinsam an für´s Gemeinwohl oder warten wir darauf, dass andere es für uns richten? Gestehen wir uns ehrlich ein, dass wir nicht alles wissen und nicht alles beherrschen können?
Demut ist jetzt angesagt. Mut ist vonnöten. Mitmenschlichkeit und Solidarität können uns auch über Zweifel hinwegtragen.
Vielleicht wäre es gut, wenn der 6. Februar weltweit zum „Tag der Gesundheit“ erklärt und als Gedenktag begangen würde. Am Donnerstag (6. Februar) ist der chinesische Augenarzt Li Wenliang an der neuen Lungenkrankheit gestorben. Bereits am 30. Dezember 2019 hatte er gemeinsam mit sechs Kollegen seines Krankenhauses in Wuhan in einem Offenen Brief auf die neue Krankheit hingewiesen, war dafür aber von der Polizei festgenommen und verhört sowie verwarnt worden.
Sein tragisches Schicksal zeigt, dass eine Diktatur sehr gefährlich für die Gesundheit der Menschen ist, wenn sie unangenehme Wahrheiten nicht wahrhaben will. Sein Tod steht zugleich stellvertretend für Tausende selbstloser Helfer und Tausende von Opfern, die Covit 19 gekostet hat. Mit Li Wenliang können wir alljährlich alle ehren, die ihre gesundheit und sogar ihr Leben zugunsten von kranken riskieren.
Offenbar nähert sich die Forschung nun der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covit 19 an. Wie lang das dauern wird, bis dieser Impfstoff bei allen ankommt, ist noch nicht klar. Vermutlich wird aber der Sommer ein wenig Erleichterung bringen, falls er wieder so heiß ausfällt wie in den vorangegangenen beiden Jahren.
In Wuhan zumindest ist die Corona-Welle nach vier Monaten anscheinend zu ihrem Ende gelangt. Noch kann China die Vorkehrungen zum Schutz vor dem Virus nicht lockern, aber das Licht am Ende des Tunnels schimmert schon irgendwo in sichtbarer Entfernung.
Wir warten miteinander auf die erlösende Nachricht. Bis dahin halten wir alle zusammen und lassen keine und keinen allein. Wir telefonieren regelmäßig miteinander und sind füreinander da.
Bleibt bitte alle gelassen und gesund! Bleibt bitte solidarisch und einfühlsam! Weint, wenn es Euch danach zumute ist, damit wir bald wieder alle fröhlich miteinander lachen können!